Flucht von Buchenwald nach Niedergrunstedt

Auszeichnung für Recherche von Humboldt-Gymnasiasten

Die Preisträgerinnen gemeinsam mit Frau F. Günther und Frau G. Günther, Foto: Kai Sauer, 2022

Alles begann mit einer Gedenktafel an einer ehemaligen Gastwirtschaft in Niedergrunstedt. „Dank den antifaschistischen Deutschen, die uns geholfen haben“, stand dort auf Französisch. Dies war für drei Schülerinnen der 11. Klasse am Humboldt-Gymnasium und ihren Geschichtslehrer Anlass, Nachforschungen nach französischen Zwangsarbeitern anzustellen, die während des Krieges in Niedergrunstedt waren.
Das Institut français in Erfurt hatte einen Geschichtswettbewerb ausgeschrieben, in dessen Rahmen diese Recherchen stattfanden. Archive in Deutschland und Frankreich wurden angeschrieben, mit der Gedenkstätte Buchenwald Kontakt aufgenommen und das Gespräch mit alteingesessenen Niedergrunstedtern gesucht. Aus einem Namen eines Zwangsarbeiters wurden bald mehrere. Dann die Überraschung: Die fraglichen Zwangsarbeiter waren als Helfer in die Flucht eines französischen Buchenwald-Häftlings aus dem Weimarer Gustloff-Werk verwickelt. Er versteckte sich in den letzten Kriegswochen in Niedergrunstedt bei einer deutschen Familie und versorgte die Häftlinge im Lager mit Informationen. Diese Flucht-Geschichte wird zwar auch von Pierre Durand in seinen Büchern erwähnt, aber sie war völlig in Vergessenheit geraten. Selbst in der Gedenkstätte und bei der Association française Buchenwald-Dora wusste niemand mehr davon.
Die Recherchen, die aus dem bilingualen Geschichtsunterricht am Humboldt-Gymnasium heraus entstanden, wurden nun offiziell mit dem 2. Preis des Bertrand-Herz-Wettbewerbs des Institut français in Erfurt belohnt. Dessen Direktorin Franka Günther überreichte den drei Schülerinnen als Anerkennung jeweils ein Exemplar des kleinen Buchenwaldlexikons. Zur besonderen Freude der Preisträgerinnen nahm auch dessen Autorin und Gründerin des Buchenwald-Archivs, Gitta Günther, an der Auszeichnung teil.
Trotz der Ergebnisse bleiben noch etliche Fragen offen. So haben die Forscherinnen ausgerechnet über den Zwangsarbeiter Émile Colin, dessen Namen sie als erstes gefunden hatten, fast nichst herausgefunden. Und der Protagonist der Fluchtgeschichte, Doktor Ladislas Frank, scheint nach seiner Rückkehr nach Frankreich und der Auswanderung nach Neukaledonien kaum mehr Spuren hinterlassen zu haben. Das ist eine der Erkenntnisse der Schülerinnen: Historische Forschungen sind selten endgültig abgeschlossen. Vielleicht taucht ja eines Tages noch eine unvermutete Spur auf – der würde auf jeden Fall gefolgt. Eine öffentliche Vorstellung der Ergebnisse in Niedergrunstedt ist geplant.
Kai Sauer

veröffentlicht von J. Gläser-Stark am 23.08.2022